Volition vs. Motivation – Warum Motivation nicht alles ist

Vielleicht hast du auch schonmal verzweifelt nach der Motivation gesucht etwas endlich anzufangen und durchzuziehen. Motiviert an eine Aufgabe herangehen, loslegen und voller Energie bis zum Ende dranbleiben: Das ist nichts als eine romantische Fantasie. Selbst wenn du hochmotiviert bist, wird dich diese initiale Motivation selten bis zum Ende tragen: Sie ist nur der eine Teil des Puzzles. Die andere wichtige Komponente ist Willenskraft, bildungssprachlich auch “Volition” genannt. In diesem Artikel wollen wir besprechen, worin sich Motivation und Volition unterscheiden und warum du dich weniger versuchen solltest, dich selbst zu motivieren.

“Dann machst du es halt ohne Lust!”

Einleiten möchte ich gerne mit einer kleinen Anekdote aus der Mittelstufe. Wir hatten damals einen Mathelehrer, der bekannt für seine harte Bewertung und seinen strengen Unterricht war. Trotzdem war er ein sehr korrekter Typ. Zum Abitur hin bemerkten wir immer mehr, wie seine strikte und saubere Art mathematisch zu arbeiten unsere Klasse viel besser auf die Prüfungen vorbereitete als viele andere Lehrer es vermocht hätten. Jedes Mal wenn er mitbekam wie jemand sagte: “Ich hab keine Lust.” meinte er laut: “Dann machst du es halt ohne Lust!” Für mich ergab dieser Spruch damals noch nicht wirklich Sinn, doch mit der Zeit begriff ich, dass mein Lehrer recht hatte: Um eine Aufgabe zu bearbeiten, muss man nicht motiviert sein, man muss keine Lust darauf haben. Man kann Dinge machen, auch wenn man keine Lust und keine Motivation dazu findet. Es ist möglich und wir machen es die ganze Zeit, wenn der Druck die Aufgabe zu erledigen von außen kommt. Wenn wir die Hausarbeit bis Sonntag abgeben müssen, machen wir es bis Sonntag. Auch wenn wir bis zum Ende keine Lust daran haben.

Bei äußerem Druck, der die Ansprüche anderer an uns repräsentiert klappt dieser Mechanismus wunderbar, also warum tun wir uns so schwer, wenn es um unsere eigenen Ansprüche an uns selbst geht? Die Erkenntnis die ich aus dem Spruch “Dann machst du es halt ohne Lust!” gezogen habe ist folgende: Ich brauche keine Motivation, ich brauche lediglich hohe Ansprüche an mich selbst, sodass ich Dinge auch dann tue wenn ich nicht wirklich motiviert bin, aber weiß, dass es gut für mich ist. Dinge in dieser Weise trotzdem zu tun erfordert Willenskraft. 

Motivation vs. Volition

In der psychologischen Literatur wird zwischen Motivation und Volition (“Wille”) unterschieden. Lasst uns die Begriffe kurz definieren, bevor wir Fortfahren:

Motivation =  Menge aller Motive (Beweggründe) die zu Handlungsbereitschaft führen.

Volition = Überwindung von inneren und äußeren Widerständen wie zum Beispiel Unlustgefühlen oder Ablenkungen durch Willenskraft bei der Umsetzung von Zielen.

Die Motivation ist wie eine kleine Stimme in deinem Kopf, die dir sagt: Mach mal dies und das, los beweg dich in diese Richtung… Dabei kann die Motivation sich von einem Augenblick auf den anderen ändern und hat plötzlich ganz andere Dinge im Blick. Ein kurzer Moment der Motivation für eine Aufgabe bringt dich vielleicht dazu, diese Aufgabe zu starten, aber schon im nächsten Moment bist du plötzlich viel motivierter, dir eine Schüssel Eiscreme zu gönnen. Die Volition ist das, was dich beim arbeiten hält, auch wenn es mal hart wird und deine Motivation nachlässt. Deine Motivation möchte dich längst in eine ganz andere Richtung schubsen, doch deine Volition ist viel beständiger und sorgt dafür, dass du weitermachst, obwohl es vielleicht keinen Spaß mehr macht. 

Was Motivation dir geben kann, sind kurze Energieschübe, die schon bald wieder abflachen. Dieser energetisierende Silvestermoment: “Jetzt lege ich richtig los mit Sport! Neues Jahr neues Glück!”. Motivation kommt schnell und geht schnell, und will ganz viel machen, wie ein hibbeliger ADHS Junge. Sobald es aber Widerstände gibt wird es aber schwierig und die Motivation sucht sich andere Ziele. Was du wirklich brauchst um bei der Sache zu bleiben ist eine starke Volition, die unabhängig von Lust- und Unlustgefühlen besteht und dich weitermachen lässt. 

Motivation ist wie eine Droge 

Ich vergleiche Motivation gerne mit einer Droge. Sie ist jederzeit verfügbar, guck dir einfach ein paar motivierende Zitate auf Instagram an. Erzähl dir motivierende Kalendersprüche, guck dir Bilder von den Dingen an, die du auch gerne erreichen möchtest. All das bringt dich nicht weiter, wenn deine Willenskraft zu schwach ist, um bei der Umsetzung zu bleiben.

Durch so viel motivierendes Material wie sich im Internet auffinden lässt sind wir in die Falle getappt zu glauben, wir bräuchten Motivation um zu handeln. Wir müssten motiviert an unsere Arbeit sein. Müssten mit einem Lächeln an eine Aufgabe gehen und uns dabei durchgehend glücklich und motiviert fühlen. Viel von dem Content, den du vielleicht als Motivation betrachtet, lässt es so wirken, als müsste es so sein. Als wäre sonst etwas  verkehrt. Wir machen uns abhängig von schnell verfügbaren externen Quellen der Motivation, anstatt uns darauf zu konzentrieren langsam unsere Volition zu steigern.

Volition ist wie ein Muskel

Wenn du das nächste Mal auf Widerstände stößt und dich Unlustgefühle überkommen, du am liebsten einfach aufhören würdest, mach dir folgendes klar: Die Suche nach erneuter Motivation ist nicht nachhaltig. Komm nicht später zu deiner Aufgabe zurück, wenn du neue Motivation getankt hast, sondern beiße dich durch und stelle deine Willenskraft auf die Probe. Je öfter du deine Willenskraft forderst und dich nicht deinen Unlust-Gefühlen beugst, desto mehr wird deine Volition trainiert. Ich habe mich einmal mit Prof. Dr. Nils Schulenburg ausgiebig zu dem Thema unterhalten. Er erklärte mir, die beste Möglichkeit mehr Willenskraft aufzubauen, sei es, einfach ganz klein anzufangen und sich Aufgaben zu suchen, die keinen Spaß machen und immer länger trotzdem dabei zu bleiben. “Es halt ohne Lust machen”, würde meine ehemaliger Mathe-Lehrer sagen. Diese gesteigerte Volition ist nicht aufgabenspezifisch, sondern überträgt sich auch auf andere Aufgaben, bei denen du so in Zukunft mehr Durchhaltevermögen haben wirst. “Aus seiner Comfort-Zone” herauskommen, haben wir in den letzten Jahren immer wieder gehört. Aber warum eigentlich? Deine Willenskraft ist der Grund.

Diese Übung ist so simpel, aber stärkt deine Willenskraft

Um deine Volition zu trainieren kannst du beispielsweise eine ganz simple Übung machen: Stell dich in die Mitte des Raumes und strecke die Hände von dir weg. Bleib so. Das ist alles. Gucke einfach wie lange du es aushältst und wenn es nicht mehr geht, mach weiter. Schaffst du 5 Minuten? Natürlich eignet sich auch jede andere sportliche Übung dazu. Laufen gehen, Planks machen. In Liegestützposition die Nase auf dem Boden halten, so lange es geht…

Rein geistige Übungen, die du alleine ausführen kannst um die eigene Willenskraft zu stärken kenne ich keine. Das hat auch einen Grund: Willenskraft wird nur bei Widerständen benötigt und in deinem Kopf agierst du recht frei, da ist es schwierig einen Widerstand reinzubringen, den du überwinden musst. Was helfen kann ist aber schwierige Dinge zu lernen oder mathematische Probleme zu lösen, die einem keinen Spaß machen. 

Ich hoffe bei dir mit diesem Artikel ein Bewusstsein dafür geschaffen zu haben, dass Motivation gar nicht so wichtig ist, wie viele behaupten. Was wirklich zählt ist deine Fähigkeit auch dann handeln zu können, wenn du unmotiviert bist: Deine Volition.

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